Werkstatt & Kunde

Handlungsoptionen für Kfz-Betriebe und Kunden nach einem Verkehrsunfall

Ausgangsfall:
Kunde K erleidet einen unverschuldeten Verkehrsunfall mit einem neuwertigen PKW. Der Wiederbeschaffungswert beträgt 50.000,00 Euro netto. Die Reparaturkosten belaufen sich auf 40.000,00 Euro netto.

Welche Handlungsoptionen haben Kunde und Kfz-Betrieb?

1. Kann der Kunde sein Fahrzeug reparieren lassen?
Der Kunde kann sein Fahrzeug immer reparieren lassen, wenn die Reparaturkosten unterhalb des Wiederbeschaffungswertes liegen.

2. Muss der Kunde nach der Reparatur das Fahrzeug weiter nutzen?
Liegen die Reparaturkosten unterhalb des Wiederbeschaffungswertes und lässt der Kunde in der Werkstatt reparieren, muss er das Fahrzeug nach der Reparatur nicht weiter nutzen, er kann das reparierte Fahrzeug sofort eintauschen und ein neues Fahrzeug bestellen.
In diesem Fall repariert der Betrieb im Auftrag des Kunden, stellt eine Rechnung auf den Kunden aus und kauft das reparierte Fahrzeug an. Unzulässig ist es, dass der Kfz-Betrieb das unreparierte Fahrzeug ankauft, um dann selbst die Reparaturkosten geltend zu machen, selbst wenn er das Fahrzeug im eigenen Betrieb reparieren würde.

3. Wie ist zu verfahren, wenn der Kunde keine Reparatur des Fahrzeuges wünscht?
In diesem Fall ist der Betrieb gut beraten, das unfallbeschädigte Fahrzeug zu dem Restwert anzukaufen, den ein Kfz-Sachverständiger als Wert auf dem sogenannten regionalen allgemeinen Markt ermittelt hat. Ein unabhängiger Kfz-Sachverständiger muss den Restwert am Markt der örtlichen Vertragshändler oder seriösen Gebrauchtwagenhändler ermitteln. Die Gebote von Restwertbörsen bleiben unberücksichtigt.
Der Kfz-Betrieb muss das Fahrzeug schnell vom Kunden ankaufen, damit der Versicherer nicht noch Gelegenheit erhält, ein konkretes höheres Angebot vorzulegen. Der Versicherer hat kein Recht, den ermittelten Restwert vor Veräußerung an den Betrieb noch zu überprüfen. Als Anhaltspunkt kann festgehalten werden, dass bei einer Totalschadenabrechnung im Haftpflichtschadenfall die Marge für den Kfz-Betrieb beim Restwert sicher nicht unter 20 Prozent liegen darf. Ermittelt der Sachverständige im Haftpflichtschadenfall den Restwert über eine Restwertbörse, erstellt der Sachverständige ein Falschgutachten. Der Betrieb sollte überlegen, künftig einen anderen Sachverständigen hinzuziehen.

4. Auf Basis des Gutachtens erteilt der Kunde den Reparaturauftrag. Bei der Reparatur stellt sich heraus, dass das Fahrzeug erheblich mehr beschädigt ist als im Gutachten angenommen, die Reparaturkos
Entscheidend ist immer die Prognose. Der Sachverständige hatte Reparaturkosten in Höhe von 40.000,00 Euro netto prognostiziert, daher durfte der Geschädigte den Reparaturauftrag erteilen. Steigen die Reparaturkosten unfallbedingt an, muss der Versicherer die tatsächlich angefallenen Reparaturkosten zahlen, da er das sogenannte Prognoserisiko der Schädiger trägt. Der Betrieb sollte gegebenenfalls den Sachverständigen auffordern, einen entsprechenden Nachtrag zum Gutachten vorzunehmen.

Der Versicherer hat dann unter Umständen einen Schadenersatzanspruch gegen den Sachverständigen, falls dieser sein Gutachten fehlerhaft erstellt hat.

5. Wie ist die Situation bei Erstellen eines Kostenvoranschlages?
Hätte der Betrieb statt eines Gutachtens selbst einen Kostenvoranschlag erstellt, wäre der Versicherer berechtigt gewesen, lediglich 40.000,00 Euro zu zahlen, da ein Kostenvoranschlag stets verbindlich ist. Lediglich ein sogenannter unverbindlicher Kostenvoranschlag, der allerdings gesondert vereinbart werden muss, berechtigt zu einer Überschreitung von ca. 10 Prozent.

6. Steht dem Kunden ein Mietfahrzeug zu?
Der Kunde hat bei Reparaturdurchführung während der unfallbedingten Nichtnutzbarkeit seines Fahrzeuges Anspruch auf einen Mietwagen gleicher Klasse. Der Zeitraum umfasst den Tag des Unfalles, Wochenenden und Feiertage, die Wartezeit bis zur Erstellung des Gutachtens sowie die eigentliche Reparaturdauer. Wird auf Totalschadenbasis abgerechnet, beträgt in der Regel der Anspruch auf einen Mietwagen 14 Kalendertage für die eigentliche Wiederbeschaffung sowie nochmals zwei bis drei Tage für die Gutachtenerstellung. Voraussetzung ist jedoch, dass das Fahrzeug entweder repariert wird oder konkret ein Ersatzfahrzeug gesucht wird.

7. Verändert sich die Situation, wenn es sich bei dem Ausgangsfall nicht um einen unverschuldeten Unfall, sondern um einen selbstverschuldeten Unfall gehandelt hätte?
Bei einem selbstverschuldeten Unfall ist – so weit abgeschlossen – die Kaskoversicherung eintrittspflichtig. Kaskorecht ist Vertragsrecht, so dass sich die Rechte und Pflichten der Parteien ausschließlich nach dem Vertrag richten. Als Höchstentschädigung ist im Kaskovertrag der Wiederbeschaffungswert festgelegt. Kommt es zur Totalschadenabrechnung, weil nicht repariert wird, ist der Versicherer berechtigt, die Restwertermittlung zu bestimmen. Dies bedeutet, dass beim Kaskoschaden grundsätzlich die Restwertbörse maßgebend ist. Beim Kaskoschaden hat der Versicherer das Recht, den Sachverständigen zu bestimmen, während im Haftpflichtschadenfall ausschließlich der Geschädigte bestimmt, ob ein Sachverständiger hinzugezogen wird, ganz gleich was der Versicherer behauptet.

8. Ab welcher Höhe werden Sachverständigenkosten im Haftpflichtschadenfall bezahlt?
Nach der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes liegt die Bagatellschadengrenze bei 715,00 Euro brutto.

9. Nach welchen Kriterien wird der Wiederbeschaffungswert eines Fahrzeuges ermittelt?
Der Wiederbeschaffungswert ist der Betrag, den der Geschädigte aufwenden muss, um ein, seinem Unfallfahrzeug im Wesentlichen vergleichbares Fahrzeug – bezogen auf den Tag vor dem Unfall – bei einem örtlichen Vertragshändler erwerben zu können. Maßgebend ist also der sogenannte örtliche Händler-VK. Privatangebote aus Gebrauchtwagenbörsen oder weiter weg liegende Angebote haben unberücksichtigt zu bleiben.

10. Welcher Stundenverrechnungssatz ist bei den Reparaturkosten maßgebend?
Maßgebend ist grundsätzlich der Stundenverrechnungssatz eines fabrikatsgebundenen Betriebes der Marke des beschädigten Fahrzeuges. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass sogenannte mittlere Stundenverrechnungssätze oder die Stundenverrechnungssätze freier Werkstätten grundsätzlich nicht maßgebend sind. Der Bundesgerichtshof lässt lediglich als Ausnahme zu, wenn der Versicherer konkret nachweist, dass es eine gleichwertig qualifizierte, günstigere Reparaturmöglichkeit gibt. An das Kriterium der Gleichwertigkeit sind allerdings strenge Maßstäbe zu stellen.

11. Dürfen bei einer Reparatur Reinigungskosten, Verbringungskosten oder Ersatzteilpreisaufschläge berechnet werden?
Berechnet der Betrieb die vorgenannten Positionen üblicherweise, sind diese Positionen bereits im Gutachten aufzuführen und sind schadenersatzrechtlich selbstverständlich zu erstatten. Dies gilt in aller Regel auch bei fiktiver Abrechnung.

12. Wie ist zu verfahren, wenn es nach Durchführung der Reparatur zu einer Kürzung durch den Versicherer, beispielsweise durch einen sogenannten Prüfbericht (ControlExpert etc.) kommt?
Den Prüfbericht sollte man unbedingt dem eigenen Sachverständigen zwecks Abgabe einer Stellungnahme weiterleiten. In jedem Fall sollte man sich gegen eine willkürliche Kürzung gegebenenfalls sogar unter Hinzuziehung eines Anwaltes wehren. Musterschreiben hierzu findet der Betrieb in der Datenbank autorechtaktuell.de.

 

Autor dieses Beitrags:
Rechtsanwalt Elmar Fuchs,
Geschäftsführer des BVSK (Bundesverband der freiberuflichen und
unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen) e.V.

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